100 Jahre Luftsport in der Fischbeker Heide

1910-1914

Am 28. August 2010 veranstaltet der Segelflug-Club Fischbek e.V. (SFC) auf seinem Gelände in der Fischbeker Heide ein Flugplatzfest. Genau 100 Jahre zuvor, am 28.August 1910 macht hier der Flugpionier Gottlieb Rost, Fahrradhändler aus Harburg, mit seinem selbstgebauten „Flugapparat“ seine ersten Rollversuche. Die „Harburger Anzeigen und Nachrichten“ schreiben am 29.August 1910: „Die Rost`schen Flugversuche hatten gestern große Scharen von Ausflüglern nach der Fischbecker Heide gelockt.“ Schon ein Jahr später, im September 1911, führt Gottlieb Rost auch Passagierflüge durch, worüber selbstverständlich auch in der „Harburger“ berichtet wird. Am 06. Juni 1912 stürzt Gottlieb Rost bei einem Probeflug in Fuhlsbüttel tödlich ab. Heute erinnert noch der Rostweg in Fischbek an diesen Pionier der Luftfahrt. Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 endet vorerst die zivile Fliegerei in Deutschland.


1920-1933

Nach dem Krieg verbietet der Versailler Vertrag den Deutschen die Motorfliegerei. Aber man erinnert sich an die Gleitflugversuche Otto Lilienthals, und schon 1920 fliegen auf der Wasserkuppe in der Rhön wieder die ersten Gleiter. Auch in Hamburg werden zwei Vereine wieder aktiv, der „Flugtechnische Verein Hamburg“ (FVH), und der „Hamburger Verein für Luftfahrt“ (HVL). 1922 finden am Scheinberg in der Neugrabener Heide, wo Gottlieb Rost und der HVL schon 1909 erste Flugversuche unternommen haben, Gleitflüge statt. Der HVL nimmt 1922 auch schon sehr erfolgreich am Rhönwettbewerb auf der Wasserkuppe teil. 1925 erfolgt der Umzug in die Fischbeker Heide, deren baumlose Hänge besonders günstig für Gleitflüge sind. Gestartet wird jetzt schon mit dem Gummiseil. Als Unterstand für die Flugzeuge dient ein leerer Stall der Hühnerfarm Jünge, die Flugzeuge müssen aber aus Platzgründen jedes Mal ab- und wieder aufgerüstet werden. 1926 baut der FVH am Scharlbargstieg in der Nähe der heutigen Hallen des SFC einen Flugzeugschuppen, in dem auch gegessen, geschlafen und repariert wird. So ist erstmals ein geregelter Flugbetrieb möglich. Immerhin zählt man am Ende des Jahres 1926 schon 372 Flüge. Unter den Flugpionieren taucht auch der Name „Dolfi“ Schehak auf, der die Ausbildungsmethodik in der Fischbeker Heide entwickelt. Er stirbt bei einem Looping auf dem Flugplatz Bahrenfeld. Die Straße „Schehakstieg“ in Fischbek erinnert noch an ihn. 1927 werden „Dauerflugrekorde“ von 43,2 und 46 Sekunden geflogen. 1928 fliegt noch ein dritter Verein in der Fischbeker Heide, die Segelflugabteilung der Polizeisportgruppe Hamburg unter Walter Milz. Hier kommt auch Adolf Rietz, der spätere Gründer des SFC zur Fliegerei. 1929 erweitert der „Altonaer Verein für Luftfahrt“ (AVL) die Anzahl der Luftsportgruppen. Die vier Vereine gründen zusammen die „Arbeitsgemeinschaft der Jungfliegergruppen“ und organisieren einen geregelten Schulbetrieb mit dem „Zögling“. 1930 kommt auch die Fluggruppe „Sturmvogel“ mit Fritz Knoblauch, der nach dem 2. Weltkrieg den „Harburger Aero-Club e.V.“ gründet, in die Heide. 1932/33 fahren Mitglieder der Fischbeker Segelfluggruppen mit einem selbstgebauten „Grunau-Baby“ zur Wasserkuppe, um an den dortigen Wettbeweben teilzunehmen.


1933-1945

Nach dem nationalsozialistischen Machtwechsel in Deutschland werden alle bestehenden Segelflugvereine aufgelöst, und der neu gegründete „Deutsche Luftsportverband“ (DLV) tritt an deren Stelle. Aus den fünf Fischbeker Luftsportgruppen wird die „Luftsportgruppe 3 Fischbek“ des DLV. Am Langen Berg, dem heutigen Scharlbargstieg, wird 1936 für den DLV eine Segelfliegerschule gebaut. Die ehemalige Werkstatt und die Flugzeughalle werden heute noch genutzt, die übrigen Gebäude sind abgerissen worden. 1937 wird der DLV in das „Nationalsozialistische Fliegercorps“ umorganisiert. In der „Segelflug-Übungsstätte“ finden jetzt ganzjährig 14-tägige Anfängerschulungen statt. Auch junge Frauen werden ausgebildet. Man nennt sie „Amazonen“, sie wohnen in einem separaten Schuppen außerhalb der Übungsstätte, und sie haben einen eigenen Fluglehrer. 1942 wird die Segelflugschulung für Frauen eingestellt. Ursprünglich war das Segelfluggelände in Fischbek nur für Gummiseilstarts vorgesehen, aber nach der schweren Bombardierung Hamburgs werden hier auch noch Windenstarts durchgeführt. Nach dem verlorenen Krieg werden den Deutschen sämtliche fliegerischen Aktivitäten verboten, sogar der Modellflug.


1950-2010

1950 wird in Westdeutschland der Modellflug wieder zugelassen, und Adolf „Adje“ Rietz gründet am 01. Februar 1950 mit einer handvoll alter Fliegerfreunde die „Interessengemein-schaft Segelflug Neugraben“. In Boberg entsteht der „Hamburger Aero-Club e.V.“, dem die „Interessengemeinschaft“ auch gleich als „Außenstelle Fischbek“ beitritt. 1957 trennt sich die „Außenstelle“ vom Hamburger Aero-Club und nennt sich jetzt „Segelflug-Club Süderelbe e.V.“. Der Harburger Aero-Club e.V. wird am 08. Dezember 1950 durch Fritz Knoblauch ins Leben gerufen. Am 28.April 1951 wird der Segelflug wieder freigegeben. In Fischbek entsteht ein Grunau-Baby III, und anschließend ein Schulgleiter SG 38. Die Harburger bauen ebenfalls einen Schulgleiter. Am 24. August 1952 ist es soweit. Der damalige Ortsamtsleiter Neindorf tauft das Grunau-Baby III auf den Namen „Fischbek“. Mit Hilfe der Hamburger Segelflieger, die für diesen Tag ihre Startwinde zur Verfügung stellen, macht das Grunau-Baby den ersten Start nach dem Krieg in Fischbek, am Steuerknüppel sitzt Adje Rietz. Der Anfang ist mühsam. Das Fluggelände ist von Bombentrichtern übersät und muss hergerichtet werden. Geld ist nicht vorhanden, also werden die Flugzeuge und auch die Seilwinde selbst gebaut. Aber schon am Ende des Jahrzehnts, 1959, zeichnet sich eine deutliche Wende ab, auch in der Ausbildung. Der Segelflug-Club Süderelbe e.V. kauft sich eine doppelsitzige „Ka 7“, die „Harburger“ eine „Rhönlerche“ für die Anfängerschulung. Vorbei sind die Zeiten der Rutscher und Sprünge auf dem Schulgleiter. Von Anfang an macht der Flugschüler jetzt zusammen mit dem Fluglehrer Hochstarts an der Winde. Der erste Alleinflug erfolgt allerdings immer noch auf dem „Baby“, die Doppelsitzer sind für das Risiko einer harten Anfängerlandung zu kostbar. Immerhin: Bevor die „60er“ anbrechen, verzeichnet man in Fischbek einen Höhenrekord von 2.500 m und mehrere Streckenflüge von über 100 km.

Die 1960er Jahre werden geprägt durch die Flugzeuge des Konstrukteurs Rudolf Kaiser. Zur Flotte gehören jetzt „Ka 6“, „Ka 7“, „K 8“ und ab 1967 der Doppelsitzer „ASK 13“, der auch heute noch nicht aus der Anfängerschulung wegzudenken ist. Durch die deutlich verbesserten Flugzeuge werden größere Streckenflüge möglich. Zwischen 1960 und 1969 werden 301 Überlandflüge oder Überlandflugversuche unternommen. Am 03.Juli 1964 fusionieren der „Segelflug-Club Süderelbe e.V.“ und der „Harburger Aero-Club e.V.“ zum „Segelflug-Club Fischbek e.V.“ (SFC). Das nächste Jahrzehnt bringt wieder wichtige Veränderungen im Segelflugzeugbau mit sich. Die Zeit der Kunststoffbauweise und der Motorsegler beginnt. 1970 kauft der SFC seinen ersten Motorsegler, die „SF 25“ D-KOSD. 1975 besitzt der Verein drei einsitzige Kunststoffsegler, und ein zweiter Motorsegler wird gekauft. Die 1970er Jahre werden dominiert von einer Reihe jüngerer Piloten, die auf den Kunststoffflugzeugen, aber auch auf der „Ka 6“ mehrfach 300 km-Dreiecke umrunden.

In den Jahren zwischen 1980 und 1990 nimmt die Anzahl der Vereinsmitglieder erheblich zu. Der spätere Segelflugweltmeister Holger Karow beginnt am 01 August 1980 beim SFC seine Ausbildung. Der Bestand an Kunststoffmaschinen wird ausgebaut. Zur Überlandflugein-weisung und zur Umschulung auf Kunststoffeinsitzer wird 1982 der Doppelsitzer „ASK 21“ angeschafft. 1984 belegt die Mannschaft des SFC bei den Motorsegler-Europameisterschaften in Finnland den 2. Platz. 1987 wird unsere Jugendunterkunft eingeweiht. 1989 tauschen wir den Motorsegler D-KAUL in eine „Taifun“ ein, natürlich in Kunststoffbauweise.

In den Jahren zwischen 1990 und 2000 gibt es nicht mehr viel Neues über modernere Vereinsflugzeuge zu berichten. Dafür wird Holger Karow Ost-Norddeutscher Meister, Deutscher Meister, und zur Krönung 1999 auch noch Segelflugweltmeister. Die Piloten in Fischbek setzen auf verbesserte Navigationssysteme, nicht auf schnellere Flugzeuge. Die Satelliten gestützte Navigation, genannt „GPS“, hält Einzug. Die Devise heißt jetzt nicht mehr unbedingt größere Strecken zu fliegen, sondern schneller und effizienter soll geflogen werden. Sogar die Auswertung von Leistungsflügen erledigt jetzt der Computer. Da ist es fast schon anachronistisch, dass im Jahre 1993 ein Relikt wieder aufersteht. Es ist ein „Grunau-Baby III“, das im Jahre 1957 von Viktor Schuback in Fischbek gebaut worden ist. In den 60er Jahren ist es nach Süddeutschland verkauft worden. Mit Hilfe von Spenden wird es zurückgekauft und ist inzwischen restauriert worden. Es fliegt bis heute bei Oldtimer-Treffen, und an besonders schönen Thermiktagen auch in Fischbek. Am 15. Februar 1999 stirbt Adolf Rietz, vielfach geehrt für seine Verdienste um den Segelflugsport.

Das Jahr 2000 beginnt wieder mit einem Veränderung: der Motorseglers SF 25 C D-KUFO mit Rotax-Motor und Schleppvorrichtung wird angeschafft. Jetzt können auch bei niedriger Höhenfreigabe die Überlandflieger bequem unseren „Käfig“ verlassen und auf Strecke gehen. Auch in die Sicherheitsausrüstungen wird investiert. 2008 werden alle Fischbeker Flugzeuge mit FLARM-Geräten ausgerüstet. Sie warnen die Piloten, wenn sich ein anderes mit FLARM ausgerüstetes Flugzeug nähert. 2009 werden Geräte angeschafft, mit denen dem Windenfahrer die Schleppgeschwindigkeit der Flugzeuge angezeigt wird. 2010 begehen wir unser 60jähriges Vereinsjubiläum und zugleich den 100sten Geburtstag des Luftsports in der Fischbeker Heide.